Presseschau zum neuen Traditionserlass

Als Ergebnis der Workshops zum neuen Traditionserlass wurde ein Entwurf erstellt, der den Teilnehmern der Workshops zugesandt wurde. Ein Exemplar wurde von der Redaktion der Spiegels erstmals analysiert und in einem Artikel erwähnt. Auffälligste Neuerung: eine scharfe und deutliche Distanzierung von der Wehrmacht. Das frühere “Drei-Säulen-Modell” aus Preußischen Reformern, Widerstand gegen das NS-Regime und der bundeswehr-eigenen Nachkriegsgeschichte wurde aufgegeben und statt dessen die Bundeswehr deutlich in den Mittelpunkt gestellt. Dies wird auch Auswirkungen auf die Helden und Vorbilder haben und wie diese in traditionsstiftender Weise innerhalb der Bundeswehr Verwendung finden.

Zunächst der Artikel aus dem Spiegel vom 20.11.2017. Darin schreibt Matthias Gebauer:
“Für die Zukunft ordnet die Ministerin nun eine sehr klare Abgrenzung an: Lediglich eine “Beteiligung am militärischem Widerstand gegen das NS-Regime oder besondere Verdienste um den Aufbau der Bundeswehr” seien Gründe für die Verehrung von Wehrmachtsoldaten. Nur “ein soldatisches Selbstverständnis mit Wertebindung, das sich nicht allein auf rein handwerkliches Können im Gefecht reduziert”, heißt es in dem Papier, könne für die Bundeswehr sinnstiftend sein.”

 

 

Im Tagesspiegel vom gleichen Tag schreibt Ulrike Scheffer im Artikel ” Menschliche Vorbilder statt militärischer Helden

“Wehrmachtsdevotionalien sollen bei der Bundeswehr künftig nur noch in historischen Sammlungen zu sehen sein. Im Entwurf eines neuen Traditionserlassen wird außerdem definiert, wer zum soldatischen Vorbild taugt. Und schließt mit den Worten “Das Ergebnis: Die Bundeswehr braucht keine Helden, sondern soll sich vielmehr auf Vorbilder beziehen, die sich durch Menschlichkeit auszeichnen – „auch unter Belastung und Gefecht“.

 

 

In der Welt schreibt der Wehrbeauftragte des Bundes Peter Bartels in einem lesenswerten Kommentar, warum es immer noch Streit um Wehrmachtsbezüge in der Bundeswehr gibt:

“Erstens behauptet die „Sui generis“-Schule der Militärgeschichte, dass es eine Art „reines Soldatentum“ gebe, das auch im Angriffs- und Vernichtungskrieg traditionswürdige Taten hervorgebracht habe. Konkret geht es dabei heute noch um „Fliegerasse“ wie Mölders und Lent oder den „ Wüstenfuchs“ Rommel, dessen fortdauernde Verehrung beim ehemaligen Kriegsgegner gern als Argument herangezogen wird. Hier muss gelten, dass militärische Tüchtigkeit sich niemals von den Zwecken der Gewaltanwendung trennen lässt, wenn es heute um Bundeswehr-Traditionsbildung geht.” Womit er einen Kern des neuen Traditionserlass erläutert und die Notwendigkeit einer strikten Trennung herleitet.

Die taz stellt im Artikel “Verbot von Wehrmachtsandenken” den Entwurf des Traditionserlasses vor und geht auch auf die Problematik der Kasernennamen ein.

“Für Diskussionsstoff dürfte der Abschnitt sorgen, der die Benennung von Kasernen und anderen Bundeswehrgebäuden regelt. Dafür sollen grundsätzlich weiterhin die Dienststellenleiter und Gemeinden zuständig sein. Allerdings müssen bestehende Namen „diesem Traditionserlass entsprechen“. Der Wehrbeauftragte Bartels versteht darunter die Absicht des Verteidigungsministeriums, umstrittene Kasernennamen zu überprüfen. Agnieszka Brugger, sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, lobt den Entwurf zwar in Bezug auf die „klare Sprache“ und den „umfassenden Blick auf die deutsche Geschichte“, findet aber auch, man hätte „den Umgang mit problematischen Kasernennamen klarer gestalten sollen.“

 

 

Im Neuen Deutschland erschien am 22.11.2017 ein Artikel mit dem Titel “Bundeswehr auf Heldensuche”. Der Autor sieht die Distanzierung von Wehrmacht und NVA kritisch und mutmaßt, “Entwurf für neuen Traditionserlass stellt Nazi-Wehrmacht und NVA auf eine Stufe”. Insgesamt ist der Artikel jedoch von wenig Sachkenntnis geprägt. Der Traditionserlass  gibt “traditionell” (in doppelten Sinne) den Rahmen vor, die Umsetzung jedoch obliegt den Truppen und Vorgesetzten. Wir ein Blick in die Zentralen Dienstvorschriften zeigt. Das was bereits angeordnet wurde, muss nicht noch einmal angeordnet werden. Genau so sind auch die “Politische Bildung” Verantwortung der disziplinarisch Vorgesetzten. Details finden sich in der Zentralen Dienstvorschrift Innere Führung Selbstverständnis und Führungskultur. Es ist ein “Wunsch” einiger Kreise, dass das Prinzip von “Befehl und Gehorsam” wieder Einzug halten möge und “Führen mit Auftrag”  und die Verantwortungsübertragung an die Soldaten zurückgenommen werden würde. Das “Neue Deutschland spekuliert daher : “Man wird sehen, was passiert, wenn Meinungen zu Lent und Co. erneut aufeinander prallen. Das Ministerium versucht sich Ärger vom Hals zu halten. Traditionspflege und historische Bildung »sind Führungsaufgaben« und liegen in der Verantwortung der Inspekteure sowie der Kommandeure und Dienststellenleiter.”

Der Blogger Thomas Wiegold schreibt auf seinem Blog augengeradeaus.net zu verteidigungspolitischen Themen. So dokumentiert er auch den neuen Traditionserlass. In einem längeren Kommentar mit dem Titel „Handwerkliches Können im Gefecht“ alleine reicht nicht” schreibt er:

Diese Messlatte soll auch für die Namensgebung gelten – Kasernen- und Verbandsnamen werden den Anforderungen des neuen Erlasses entsprechen müssen. Damit ist absehbar, dass einige derzeit diskutierte Kasernennamen auch dann verschwinden müssen, wenn sich Kommunalpolitiker und die Soldaten am Standort dafür aussprechen.


Die Kommentare geben einen interessanten Einblick in die Diskussion.

In einem Kommentar schreibt der Nutzer “Veremundus”.  “Soll Oberst Lent wirklich geschichtliches Vorbild sein für junge Soldaten, die von Rotenburg aus zu „Friedensmissionen“ in die Welt aufbrechen? Warum werden von den Vertrauensleuten vor Ort (u.a. Oberstleutnant a.D. Jürgen Dehn am 28. April 2017: „Der Name Lent ist unbefleckt“) nicht Lents kriegerische Durchhaltebotschaften zur Kenntnis genommen?

Der Benutzer closius schreibt in seinem Kommentar:  Kein Kommandeur weiß, welche Vorbilder aus der NVA oder Wehrmacht oder der Kaiserlichen Flotte/Preußischen Armee oder Befreiungskriegen jetzt erlaubt ist oder nicht? Die Frage der Kasernennamen ist in keinster Weise gelöst. Weder für den Fall Lent, noch für den Fall Marseille. Dabei wäre es einfach gewesen, dem Tradtionserlaß einen Liste von Traditionswürdigen Namen aus der Vergangenheit anzuschließen.

Eher eine Randnotiz im Abendblatt – Im Zuge des Austritts von Delphine Thiermann aus der AFD war die unsachliche Auseinandersetzung der AfD – namentlich die des Thüringer Vorsitzenden Bernd Höcke – einer der Kritikpunkte. So übte die Vizechefin der Jugendorganisation “Junge Alternative” in  Scharfe Kritik an Höcke. “Anstatt uns sachlich in die Traditionserlass-Debatte der Bundeswehr einzuklinken, schwadroniert ein Björn Höcke von einem ‘Mahnmal der Schande‘ in Berlin”.

Die Hoffnung, dass es eine “Entscheidung von oben” geben könnte, vergeht nicht. Es ist vielen nicht klar, dass das gegen die Prinzipien der “inneren Führung” und das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform verstoßen würde, wenn man hier “von oben” hineindirigiert. Das Heer ist bekannt dafür dass es hier viele Vertreter der “sui generis“-Schule gibt, die mit diesen Leitbildern nicht viel am Hut haben, sondern den Soldaten als “eigenen Schlag” mit Prinzipien und Werten sehen, die eben nicht allgemein staatsbürger-tauglich  und -kompatibel sind. Und diese Haltung finden wir auch bei einigen Rotenburgern. Sehr zugespitzt überschreibt ein Benutzer eines Arbeitgeber-Bewertungsportals seinen Artikel mit “Der Abstieg: Vom Beruf sui generis zum Job in Uniform mit der Gefahr der Unterschichtenrekrutierung. Man irrt also, wenn man denkt, es ginge bei der Kasernenumbenennung oder der Frage, wer dazu welchen Impuls gibt “nur um einen Namen” – und “nur” um einen Traditionserlass.

 

 

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