Im Geiste des Freikorps und der Wehrmacht
Wolfram Wette zieht historische Verbindungen von den »Freikorps« der Weimarer Zeit zur Wehrmacht, deren personelle Kontinuität in der Bundeswehr, zum Charakter der »Traditionspflege« bis zum aktuellen militärischen Selbstverständnis der »Generation Einsatz«.
Ende April 2017 wurde der Fall des Oberleutnants Franco A. öffentlich, der ein Doppelleben als syrischer Kriegsflüchtling und offiziell registrierter Asylbewerber führte. Er war wegen des verbotenen Besitzes einer Pistole verhaftet worden. Ers-
te Untersuchungen ergaben, dass er Teil eines rechtsradikalen Netzwerkes war; in seinem Umfeld waren größere Mengen Patronen aus Bundeswehrbeständen gestohlen worden; die Ermittlungsbehörden fanden eine Liste mit prominen- ten Namen und Institutionen, die in den Medien als »Anschlagsziele« und »Todesliste« bezeichnet wurde. Schließlich wurde publik, dass Franco A., der 2015 zum Berufssoldaten ernannt wurde, bereits 2013 an der französischen Militärakademie St. Cyr eine Masterarbeit einreichte, die eher einem völkisch- rassistischen Glaubensbekenntnis entsprach. Der französische Schulkomman- deur gab den Ratschlag, Franco A. aus dem Militärdienst zu entfernen, doch die deutschen Vorgesetzten deckten den intelligenten Rechtsradikalen.
Dieser Vorfall sprengt in seinen Ausmaßen zahlreiche Skandale, die seit Jahr- zehnten mit notorischer Regelmäßigkeit im Zusammenhang mit der sogenann- ten Traditionspflege bei der Bundeswehr ans Tageslicht kamen. Ungewöhnlich war darum auch die Flucht nach vorn in die Öffentlichkeit der zuständigen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Oder war es ein Hilferuf? Es ging ein Aufschrei des Entsetzens über diese Nestbeschmutzung durch die militärische Führung, woran auch Brigadegeneral Udo Schnittker, Feldjäger- Kommandeur aus Hannover beteiligt war. Die Ministerin entschuldigte sich. Erstaunlich ist allerdings, dass die Emmich-Cambrai-Kaserne, in welcher die Feldjäger untergebracht sind, den Fall Franco A. dennoch zum Anlass nimmt, dem Gebäude einen neuen Namen zu geben. Ebenso erstaunlich: Anfang Juli 2017 wurde der Fall eines Feldjägers bekannt, der mehrere tausend Schuss Munition und Granaten in seinem Spind hortete. Das legt nahe: im Fall Franco A. geht es nicht um »Einzeltäter«, sondern um tiefe Strukturen, welche diese Entwicklungen möglich machten.
Vortrag und Diskussion mit Prof. Wolfram Wette
»IM GEISTE DER FREIKORPS UND DER WEHRMACHT? RECHTSRADIKALE IN UNIFORM«
DGB-HAUS HANNOVER, Otto-Brenner-Straße 1, Saal 3, 1. Etage»