Lent und die NSDAP

War Helmut Lent kein Nazi, weil er nicht in der NSDAP war?

Generalstaatsanwalt a. D. Jürgen Dehn führt am 28. April 2017 vor den Vertrauensleuten der Soldaten der Lentkaserne aus: „Abgesehen von der Tatsache, dass Lent vor seinem Eintritt in die Luftwaffe wie wohl alle Jugendlichen der damaligen Zeit Mitglied des Jungvolks war, gibt es sonst keine Hinweise auf ein über sein tadelfreies soldatisches Funktionieren hinausgehendes aktives Eintreten für die Ziele des Nationalsozialismus. Er war nicht Parteimitglied.“

Dr. Vogel vom ZMSBw in seinem Gutachten: „Eine Mitgliedschaft in der NSDAP ist nicht belegt. Die Überprüfung entsprechender Archivbestände im Bundesarchiv ergab keinen Hinweis darauf.“ Weder Dehn noch Dr. Vogel weisen daraufhin, dass Wehrmachtsangehörigen nach dem Wehrgesetz von 21.05.1935 eine Mitgliedschaft in der NSDAP nicht möglich war:

Wehrgesetz von 1935

„§ 26. Politik in der Wehrmacht. (1) Die Soldaten dürfen sich politisch nicht betätigen. Die Zugehörigkeit zur NSDAP oder zu einem der ihr angeschlossenen Verbände ruht für die Dauer des aktiven Wehrdienstes.“

Helmut Lent konnte aufgrund seines Alters vor dem Eintritt in die Wehrmacht nicht Mitglied der NSDAP werden, da er erst 17 Jahre alt war, das Mindestalter für einen Parteibeitritt jedoch 18 Jahre war.

Nach dem Eintritt
war eine Mitgliedschaft in der NSDAP ebenfalls nicht möglich – wegen dem oben genannten Wehrgesetz.

Erst durch eine Änderung des Wehrgesetzes zum 24. September 1944, also kurz vor dem Flugunfall von Helmut Lent am 05.Oktober 1944, wurde Wehrmachtsangehörigen die Mitgliedschaft in der NSDAP ermöglicht. Er hätte also insgesamt 12 Tage Zeit gehabt in die NSDAP einzutreten.

Das veränderte Wehrgesetz gab nach der Änderung vor:

“§ 26. Politische Stellung der Wehrmachtangehörigen. (1) Die Angehörigen der Wehrmacht haben die Pflicht, dienstlich und außerdienstlich im Sinne nationalsozialistischer Weltanschauung zu wirken und sich jederzeit für sie einzusetzen. Es ist eine der wesentlichsten Aufgaben aller Offiziere, Unteroffiziere und Wehrmachtbeamten, ihre Untergebenen nationalsozialistisch zu erziehen und zu führen.“

horizontaler Trenner als grafisches Element

In einer Beurteilung vom 28.10.1941 durch Hauptmann Ehle wird Helmut Lent bescheinigt:

„Oberstleutnant Lent steht fest auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung und ist in der Lage, nationalsozialistisches Gedankengut weiterzugeben.“

Nationalsozialistisches Gedankengut gab Lent schon ab Frühjahr 1933 als ein Jungzugführer von 30 – 45 Kindern/ Jugendlichen und ab 1935 als Fähnleinführer von 120 – 180 Kindern/Jugendlichen beim Deutschen Jungvolk, einer Jugendorganisation der Hitler-Jugend, weiter. Ziel des Deutschen Jungvolks war es (lt. wikipedia), die Jugend im Sinne des Nationalsozialismus zu indoktrinieren, in Loyalität zu Adolf Hitler zu erziehen und vormilitärisch auszubilden.

Reichsmarschall Hermann Göring in einem Nachruf auf Helmut Lent:
„Unser Lent war ein begeisterter Soldat, ein harter und zäher Kämpfer, ein strahlender Held. Er war aber nicht nur Soldat, nicht nur Kämpfer, er war auch ein leidenschaftlicher Anhänger unserer nationalsozialistischen Weltanschauung und auch hier Erzieher und Vorbild seiner Männer.“
(aus: „Völkischer Beobachter” vom 12. Oktober 1944)

Zur Aussage Dehn zur Mitgliedschaft beim Jungvolk muss man also zwei Dinge ergänzen:

1. Lent trat unmittelbar nach der Machtergreifung dem Jungvolk bei. (Februar 1933) – zu diesem Zeitpunkt hatten HJ und Jungvolk ca. 108.000 Mitglieder. die Aussage dass Lent “wie alle Jugendlichen” Mitglied beim Jungvolk war, war zu dem Zeitpunkt nicht zutreffend.

2. Lent blieb beim Jungvolk als “Führungspersonal” – er trat also nicht in die HJ über, sondern blieb als älterer im Jungvolk und hatte als “Fähnleinführer” 120-180 Kinder unter sich, die er als “älterer Jugendlicher” anführte.

Der Vortrag aus dem das obige Zitat stammt ist der Vortrag, der vor Soldaten der Lent-Kaserne zur Vorbereitung der Abstimmung der Vertrauensleute gehalten wurde. Für viele Soldaten dürfte dies also der einzige Einblick auf die Person Helmut Lents sein. Dass dabei eine solche Unschärfe herrscht, ist bedauerlich bis befremdlich.

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