Regionales – Das Schlageter-Denkmal in Visselhövede
In der Rotenburger Rundschau erscheint es ohne auffallend kritischen Kommentar. Das Schlageter-Denkmal auf dem Höllenberg in Visselhövede:
Die Unterschrift lautet “Das Schlageter-Denkmal auf dem Höllenberg zwischen Hiddingen und Drögenbostel wurde am 23. Mai 1926 eingeweiht. Albert Leo Schlageter wurde während der Ruhrbesetzung 1923 von der französischen Besatzungsmacht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Wer die Gruppe auf dieser Aufnahme ist, ist der Rundschau-Redaktion nicht bekannt.”
Wer War Albert Leo Schlageter
Albert Leo Schlageter war Soldat im Ersten Weltkrieg und Angehöriger verschiedener Freikorps. Schlageter war Mitglied der NSDAP-Tarnorganisation Großdeutsche Arbeiterpartei. Während der französisch-belgischen Ruhrbesetzung war er militanter Aktivist und wurde wegen Spionage und mehrerer Sprengstoffanschläge von einem französischen Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Mit seinem Tod wurde Schlageter von der politischen Rechten „zum Nationalhelden emporstilisiert“ und als „die Integrationsfigur“ verwendet. Es entwickelte sich in diesem Teil des politischen Spektrums in der Weimarer Republik ein „Schlageter-Kult“, der zu zahlreichen Veröffentlichungen und die rechtsgerichteten Parteien nicht selten übergreifenden öffentlichen Veranstaltungen führte. Von Anbeginn spielten dabei Nationalsozialisten eine wichtige Rolle.
Schlageter wird glorifiziert
Die politische Rechte glorifizierte seither Schlageter als nationalen Märtyrer, der einem Verrat seiner politischen Gegner zum Opfer gefallen sei. Dabei spielten die Nationalsozialisten und deren unmittelbare Vorläufer eine besonders aktive Rolle.Die „vermeintlichen Heldentaten Schlageters und seiner Gesinnungsgenossen (schufen) den Grundstock einer Propaganda, mit der über ein Jahrzehnt später das Dritte Reich seine Jugend in ähnlichem Sinne zu erziehen hoffte.“ So machte der NS-Dichter Hanns Johst in seinem zwischen 1929 und 1932 entstandenen „Schlageter“ seinen Titelhelden zum „ersten Soldaten des Dritten Reiches“: Er mythologisierte Schlageters Ende mit dem pathetischen Aufruf „Deutschland!!! Erwache! Erflamme!!!“ zum „Blutopfer“ für das deutsche Volk. Johsts „Prototyp des nationalsozialistischen Dramas“ wurde von den Nationalsozialisten als stärkste „dichterische Gestaltung der Gesinnung und Haltung unseres neuen Deutschland gefeiert“ und 1933 in mehr als 1000 deutschen Städten aufgeführt.
Schlageter Denkmäler entstehen
Zahlreich entstanden innerhalb der Grenzen des Reichs bereits vor, flächendeckend nach 1933 Schlageter-Denkmäler, Schlageter-Haine, in Berlin die Schlageter-Siedlung der Frontkämpfer. Visselhövede war jedoch seiner Zeit voraus – die “Heimatblätter für den Sturmigau”, der Zeitungsbeilage des Visselhöveder Landboten verzeichnet in der Ausgabe Nr. 20 vom 12.10.1924 einen “Aufruf zur Errichtung eines Schlageter-Denkmals auf dem Höllenberge bei Visselhövede-Hiddingen”, sowie in Nr. 55 vom 01.12.1929 einen Artikel mit dem Titel “Schlageter-Ehrung bei uns und anderwärts” – Der Zwang eines totalitären Regimes wie es spätestens ab 1933 zweifellos bestand war dafür nicht erforderlich.
Anlässlich der Feier zum zehnjährigen Todestag Schlageters am 26. Mai 1933 heroisierte der am 1. Mai 1933 der NSDAP beigetretene designierte Rektor der Universität Freiburg, Martin Heidegger,den Hingerichteten, der „seinem Schicksal“ nicht habe ausweichen dürfen, „um den schwersten und größten Tod harten Willens und klaren Herzens zu sterben.“ In der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus entstanden ca. 100 Schlageter-Denkmäler, von denen noch etwa 20 zumindest in Resten existieren. Zwei davon zwischen Rotenburg und Munster. Schlageter wurde außerdem zum Namensgeber diverser über ganz Deutschland verteilter Straßen, Orte, Organisationen, von denen die meisten zwischenzeitlich umbenannt worden sind. In Visselhövede wurde die Mozartstraße in Schlageter-Straße umbenannt. Daran, dass es nur zu 9 Umbenennungen kam ist erkennbar, dass Schlageter einen hohen Stellenwert besaß, da er sich in einer Reihe mit Horst Wessel, Adolf Hitler Richthofen und Wedekind befand, denen ebenfalls eine Straße gewidmet wurde. Nach dem Krieg wurde die Schlageter-Straße wieder in Mozartstraße umbenannt.
Das Schlageter-Denkmal gerät in die Diskussion
In den Jahren 2000 bis 2010 Anwohner bemerkten gelegentliche Ansammlungen von Personen rund um das Denkmal. Eine Nähe zum rechten Rand wurde vermutet. Die Dokumentation “Sie Marschieren wieder” von 2005 führt ebenfalls das Schlageter-Denkmal an: Auf dem Schlageter-Denkmal in einem Wäldchen bei Visselhövede nahe Rotenburg ist das verbotene Zeichen dagegen noch zu sehen. Der Bauernsohn Albert Leo Schlageter avanciert 1923 zum Symbol deutschen Freiheitskampfes, als er Gleise sprengt und den Transport von Ruhrkohle nach Frankreich verhindert. Ein Kriegsgericht verurteilt den 29-Jährigen zum Tode, am 26. Mai 1923 wird er erschossen. An vielen Orten errichtet man ihm Denkmäler. Nach 1933 stilisieren Hitlers Schergen den „letzten Soldaten“ des Ersten Weltkrieges zum „ersten Soldaten“ des „Dritten Reiches“. Ebenfalls im Jahr 2006 erscheint ein Leserbrief in einer Lokalzeitung über rechte Gruppierungen in der Region: ” Ihre Fackelumzüge zur Wintersonnenwende in Walsrode und ihre Feier am Denkmal für den, von Hitler verehrten, Schlageter im Wald zwischen Visselhövede und Neuenkirchen weisen auf ihre Nähe zum historischen Faschismus hin.”
Jedoch: Auf keiner Landkarte war der Stein verzeichnet, es gab kaum Hinweisschilder. Auf den Landkarten war lediglich der Name Höllenberg verzeichnet. Doch das änderte sich. „Auf einem Stadtplan war das Schlageter-Denkmal plötzlich verzeichnet. Inzwischen schmückte ein Bild des Denkmals sogar die Kirche „Das mit dem Totschweigen funktioniert also offenbar nicht. Vor allem auch deswegen nicht, weil es Menschen gibt, die die alte Tradition wieder pflegen und die zu ihrem Denkmal stehen wollen“, sagte eine Anwohnerin.
Dann wurde das in den Buchstaben S integrierte Hakenkreuz durch einen Künstler entfernt, was große Wellen schlug. Die Kommune äußerte sich uneindeutig “Und weil die nach rechts gewinkelte Swastika nicht leicht gekippt ist, wie auf der Nazi-Flagge, sondern auf den Flügeln ruht, wie in Adolf Hitlers frühen Skizzen für ein Parteiabzeichen, glaubt Bürgermeisterin Strehse auch, es sei kein verfassungsfeindliches Abzeichen, das die Kommune zum Handeln zwingen würde.” und trotzdem wurde das entferne Hakenkreuz wieder nachgezeichnet: “Unbekannte rühmen sich auf der einschlägigen Internet-Plattform Altermedia, den Original-Zustand des Denkmals wieder hergestellt zu haben. ” heißt es im Artikel der Taz
Auch auf YouTube findet sich ein Video aus diesem Zeitraum und zeigt das Denkmal im Zustand nach dem das wieder aufgemalte Hakenkreuz wiederum entfernt wurde. Die “Bilderstürmerei” wird in einer Montage mit der Reichsprogromnacht gleichgesetzt. Ein Kommentar aus dem Jahr 2017 lautet ” Echt schade, dass Leo, zu Unrecht, mit den Nazis in Verbindung gebracht wird.”
Lokalpolitik bleibt Untätig
Auch die lokale Politik blieb im Jahr 2010 untätig: “Schon wenige Tage später war das Hakenkreuz wieder drauf – allerdings in schwarzer Farbe. Außerdem kam heraus, dass die Stadt das Grundstück pflegen lässt. Die Grünen wollten daraufhin das Thema im politischen Raum diskutieren. Am Dienstagabend begründete Eckhard Langanke (CDU) im Ausschuss das Nichtbefassen ganz einfach: „Der Gedenkstein steht auf Privatgelände, darum ist keine Beratung nötig.“ Die Bürgermeisterin Franka Strehse sah keinen Handlungsbedarf. Es handele sich »nicht um ein Denkmal im Sinne des Gesetzes«. Der Stein befinde sich auf einem Privatgrundstück. Damit sei die Sache keine städtische, sondern eine »zivilrechtliche Angelegenheit«. Dem stand jedoch unter anderem auch der Tatbestand entgegen, dass nach einem der örtlichen Zeitung vorliegenden Brief das Hauptamt der Stadt seit Jahren einen Bürger des Ortes dafür bezahlt, dass er für die »Pflege und Unterhaltung des Schlageter-Denkmals« Sorge trägt. Eine Art Kundendienst so zu sagen, für die rechte Gruppierungen der Umgebung, die sich laut Angaben der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) gelegentlich zu Gedenkfeiern am Denkmal einfinden.
Noch im Jahr 2010 wird eine Geocache eingerichtet, der einige “Sucher” zum Höllenberg lockt: “Auf dem Höllenberg befindet sich eines der wenigen noch erhaltenen Schlageter-Denkmäler, was bei der historischen Vergangenheit des Namensgebers auch kein Wunder ist. Grade deswegen läd der Ort zum Nachdenken ein und lässt Fragen über Sinn und Zweck dieses Monuments zu. Wir haben in der Vergangenheit feststellen müssen, dass dieses Denkmal immer wieder Opfer von Vandalismus wurde.” Dieses Ziel digitaler Schnitzeljagd lockte 145 Benutzer zum Schlageter-Denkmal auf dem Höllenberg.
Das Schlageter-Denkmal auf dem Höllenberg heute
Im Jahr 2015 geht man wieder sehr arglos mit dem Denkmal um. In der Zeitschrift “Findling” wird über die Aktion “Schwitischer Steine” berichtet, die mit EU-Mitteln gefördert wurde – “Verschiedene bedeutende Steine wurden ausgemacht” -darunter das Schlageter Denkmal auf dem Höllenberg – das Team entwickelte eine Radwanderroute – Mit Halt am Schlageter-Denkmal. Diese Route ist auch heute noch als touristische Route verfügbar. Die Tourist-Information im Fremdenverkehrsverein Visselhövede e.V. schreibt: “Zurück an der Kreuzung, fahren Sie in Richtung Behningen und zum Höllenberg mit dem Schlageterdenkmal ”
Wo das Schlageter-Denkmal Erinnerungspolitisch zu verorten ist, zeigte die “Junge Alternative” – und zwar just die Gruppe, die den AfD Politiker Hockey eingeladen hatte – was diesem die Möglichkeit gab, seine “Skandal-Rede” zu halten, in der er eine “180-Grad Wende der Erinnerungskultur” forderte: Die Junge Alternative (JA) Dresden hatte anlässlich des Volkstrauertages an den „mutigen und selbstlosen Kampf“, den unter anderem Albert Leo Schlageter (1894-1923) geführt habe erinnert. An die Mitglieder der JA gerichtet sagte Höcke in Dresden: „Ich möchte, dass ihr euch im Dienst verzehrt. Ich weise euch einen langen und entbehrungsreichen Weg.“.
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